Recovery - Genesung ist kein gerader Weg
- Silvia Meck
- 24. Mai
- 3 Min. Lesezeit

Nach schwierigen Zeiten wieder auf die Beine zu kommen, braucht Zeit, Geduld und vor allem Selbstmitgefühl. Genesung ist kein Zurückkehren in einen früheren Zustand, sondern ein Voranschreiten auf eine neue Weise. Manchmal bleiben Narben, manchmal verändert sich die Sicht aufs Leben – doch das bedeutet nicht, dass Genesung nicht möglich ist. Sie sieht nur für jeden Menschen anders aus.
Was bedeutet Recovery wirklich?
Recovery ist mehr als bloße Heilung. Es geht nicht nur um das Verschwinden von Symptomen, sondern um einen selbstbestimmten Umgang mit sich selbst und den Herausforderungen des Lebens. Gesundung ist eine Haltung – ein aktiver Prozess, um Sinn und Zielsetzung zurückzugewinnen.
Patricia Deegan beschreibt es treffend:
„Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird.“
– Patricia Deegan, Gesundung und die Verschwörung im Geiste der Hoffnung, 1996
Es geht also nicht darum, wieder „so zu werden wie vorher“, sondern sich neu zu entdecken – mit allen Veränderungen, Erfahrungen und Herausforderungen, die dazu gehören.
Der Mythos vom schnellen Heilen
Viele glauben, Genesung verlaufe geradlinig: Ein Schritt nach dem anderen, stetig bergauf, bis alles „wieder gut“ ist. Doch das ist eine Illusion. Recovery ist kein Sprint, sondern eher eine Wanderung durch unbekanntes Gelände – mit Umwegen, Rückschritten und unerwarteten Hindernissen. Und das ist okay.
Es gibt Tage, an denen es leichtfällt, und Tage, an denen sich alles wieder anfühlt wie am Anfang. Das bedeutet nicht, dass man gescheitert ist – es bedeutet nur, dass Heilung kein gerader Weg ist. Fortschritt zeigt sich nicht nur in großen Schritten, sondern oft in den kleinen Momenten: Ein Lächeln, das wieder ehrlich ist. Eine Entscheidung, die bewusst getroffen wurde. Ein Tag, der ein wenig leichter war als der letzte.
Gesundung als Haltung – der Recovery-Weg
Recovery ist nichts, das irgendwann „abgeschlossen“ ist. Es ist eine Entscheidung, die jeden Tag aufs Neue getroffen wird. Ein selbstbestimmter Prozess, um das Leben wieder zu gestalten – in einem Tempo, das sich richtig anfühlt.
Die Recovery-Bewegung, die vor etwa 25 Jahren in den USA entstand, zeigt genau das: Genesung ist individuell, aber niemand muss diesen Weg allein gehen. Besonders wichtig sind Peers – Menschen, die selbst psychische Krisen erlebt haben und andere mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung unterstützen. Sie zeigen, dass ein erfülltes Leben trotz Herausforderungen möglich ist.
Ein Recovery Coach, der selbst ein Peer ist, hat diesen Weg beschritten – vielleicht nicht frei von Symptomen, aber mit einer neuen Perspektive auf sich selbst und das Leben. Recovery bedeutet nicht Perfektion, sondern Resilienz: die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und auf eigene Stärken und Ressourcen zurückzugreifen.
Selbstfürsorge – der Schlüssel zur Genesung
Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern essenziell. Recovery braucht Geduld – und die fängt mit einem achtsamen Umgang mit sich selbst an.
Es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen:
• Sich erlauben, Pausen zu machen, ohne sich schlecht zu fühlen.
• Den eigenen Körper wahrnehmen und respektieren.
• Emotionale Bedürfnisse ernst nehmen, statt sie wegzudrücken.
• Kleine Rituale, die Struktur und Sicherheit geben.
Oft fühlt es sich an, als wäre Selbstfürsorge egoistisch – doch das Gegenteil ist der Fall. Sich selbst mit Freundlichkeit und Geduld zu begegnen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.
Hilfe annehmen – ein Zeichen von Mut
Es gibt diesen Gedanken, dass man es „allein schaffen muss“. Dass es eine persönliche Niederlage ist, um Unterstützung zu bitten. Doch Recovery bedeutet nicht, alles alleine zu tragen – sondern sich bewusst Hilfe zu holen, wenn sie gebraucht wird.
Ob Therapie, Coaching, Austausch mit anderen – Unterstützung anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut. Niemand muss diesen Weg allein gehen. Und manchmal ist genau das der wichtigste Schritt in Richtung Genesung: zu erkennen, dass es okay ist, nicht okay zu sein – und sich dennoch auf den eigenen Weg zu machen.
Ein persönlicher Blick – Recovery braucht Zeit
Vielleicht kennst du das Gefühl, als würde dich etwas für immer festhalten. Als gäbe es keinen Weg hinaus. Ich kenne es auch. Lange dachte ich, Recovery bedeutet, „normal“ zu werden – bis ich verstanden habe, dass es vielmehr darum geht, ein neues Normal zu finden. Eines, das sich für mich richtig anfühlt.
Heute weiß ich: Genesung bedeutet nicht, dass alles verschwindet, sondern dass ich gelernt habe, damit zu leben. Dass ich mich nicht mehr von meinen dunklen Tagen bestimmen lasse. Dass ich meine Kraft zurückgewinne – Stück für Stück, auf meine Weise.
Recovery ist kein gerader Weg. Aber er ist möglich. Und jeder kleine Schritt zählt.
© Silvia Meck 24. Mai 2025
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