Kurztrips im Mai 2025
- Silvia Meck
- 25. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Unterwegs zwischen Aufbruch und Abbruch
Mai 2025. Eigentlich wollte ich ein paar kleine Reisen unternehmen. Ein bisschen unterwegs sein, Städte erleben, Menschen treffen, neue Impulse mitnehmen. Tatsächlich war ich unterwegs – aber anders als gedacht.
Zwischen Klinik, Ehrenamt und einem Auto, das zwischenzeitlich in der Werkstatt strandete, wurde aus dem Wollen oft ein Müssen. Aus Vorfreude wurde Organisation. Und aus Freiheit eine Frage der Kraft. Trotzdem: Jede dieser Etappen hat Spuren hinterlassen – politisch, emotional und biografisch.
Dresden – Ein Abschied mit Haltung
Dresden habe ich nicht gesehen. Mein Rollstuhl war in der Werkstatt – ohne ihn definitiv kein Sightseeing, kein Drumherum. Aber dafür war ich ja auch nicht dort.
Ich war zur EX-IN Deutschland Jahrestagung gereist, um mich offiziell aus der aktiven Arbeit zu verabschieden. Nach über zehn Jahren aktive Zeit, Mitgründerin und Vorständin von EX-IN RLP und sechs Jahren Landessprecherin für Rheinland-Pfalz habe ich meine Ämter niedergelegt.
Es war ein stiller, kraftvoller Abschied. Mit Dankbarkeit in würdigem Rahmen, ein emotionaler Moment. Ich durfte Abschied nehmen, im Rahmen der Tagung, im Austausch mit alten Weggefährt:innen. Es war ein Blick zurück auf über zehn Jahre Engagement, Aufbauarbeit und politische Mitgestaltung.
Besonders stolz bin ich auf die Resolution des Landesbeirats zur Genesungsbegleitung. Sie steht für das, was mir immer wichtig war: gelebte Teilhabe, Erfahrungswissen als Kompetenz, strukturelle Veränderung.
Ich gehe mit Wehmut – aber auch mit dem Vertrauen, dass andere weitertragen, was wir begonnen haben. Ich bleibe verbunden: als Trainerin, Genesungsbegleiterin, Mitglied. Aber eben mit neuen Schwerpunkten.
Der Ort war zweitrangig – aber der Moment war groß.
Stuttgart – Kliniktermine und Logistik
Stuttgart war die nächste Station – allerdings medizinisch bedingt. Ich bin regelmäßig dort zur gastroenterologischen Abklärung. Im Juli folgen drei weitere Termine.
Solche Reisen wirken unspektakulär. Doch was es bedeutet, das durchzuziehen, ist schwer vermittelbar: Mein Rollstuhl – elektrisch unterstützt – muss für jede Fahrt komplett zerlegt und unter das Podest im Camper geschoben werden. Mein Bett ist fest verbaut. Jede Nutzung des Rollstuhls bedeutet mindestens 30 Minuten Aufbau. Ohne Hilfe. Ohne Rückzugsmöglichkeit vor Ort – außer dem Auto selbst.
Warum das Ganze? Weil ich auf Ruhephasen angewiesen bin, auch auf den Fahrten. Ein normales Hotelzimmer oder tägliche Anfahrten aus der Pfalz wären unmöglich und sind schlicht auch nicht finanzierbar. Und morgens 200 km im Berufsverkehr zur Klinik? Nicht realisierbar.
Es ist eine Reiseform aus Notwendigkeit, kein Luxus. Aber sie gibt mir ein Stück Selbstbestimmung zurück – auch wenn der Preis manchmal hoch ist.
Stuttgart selbst bleibt für mich zweckgebunden. Ich komme, funktioniere und fahre wieder. Aber auch das ist Teil meines Alltags – und gehört in diesen Rückblick.
Es klingt alles machbar, ist es aber nicht. Jeder dieser Wege ist ein Kraftakt.
Reisen, die nichts mit Freizeit zu tun haben – aber alles mit Selbstorganisation.
Kassel – Krüppel gegen Rechts
Die Mitmachtagung in Kassel war für mich ein Lichtblick – inmitten all der strukturellen Belastungen.
Wir haben diskutiert, zugehört, uns ausgetauscht und wie immer: empowert.
Aus der Selbstvertretung heraus entstand ein starkes Zeichen: die Gründung der Initiative „Krüppel gegen Rechts“.
Ein Begriff, der provoziert – und genau das soll er. Die Initiative richtet sich intersektional gegen rechte Strömungen, gegen Ableismus, Rassismus, Sexismus und Ausgrenzung. Und sie ist offen für Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Beeinträchtigungen.
Für mich war das ein sehr bewegender Moment.
Den Reel dazu findet ihr auf Facebook, Instagram und Threads
St. Leoner See – Ein Tag zum Atmen
Nach Kassel gab es einen einzigen Tag, der leicht war: am St. Leoner See.
Dieser Ort begleitet mich seit meiner Kindheit – meine Familie hat dort seit 1970 einen Dauerstellplatz. Ich bin quasi dort aufgewachsen, kannte jeden Baum, jeden Steg. Heute hat sich vieles verändert – viele Regeln, wenig Freiheit für Dauercamper. Aber an diesem Tag war das alles nebensächlich.
Ich war da. Ich war im Wasser (18 Grad). Und es war ruhig. Wenig Badegäste.
Es war mein Tag zwischen allem. Kein politisches Ziel, kein Krankheitskontext. Nur ich, die Sonne, das Wasser – und das Wissen, dass solche Momente rar sind.
Karlsruhe – Messe verpasst, Teilhabe verhindert
Zur REHAB Karlsruhe wollte ich unbedingt. Die große Fachmesse für Reha, Therapie und Inklusion ist jedes Mal eine wichtige Plattform. Dort werden Innovationen gezeigt, neue Hilfsmittel vorgestellt, Austausch gefördert. Für jemanden wie mich – politisch aktiv, rollstuhlnutzend, und oft an der Grenze des Gehbaren unterwegs, obwohl ich eigentlich punktuell sogar noch eine Assistenz bräuchte – ist diese Messe weit mehr als eine Informationsveranstaltung. Sie ist eine Quelle für Empowerment.
Doch es kam anders. Mein Auto stand vier Tage in der Werkstatt. Der Preis für die Reparatur war hart – auch mental. Ohne Auto konnte ich meine Arbeit im Pfalzklinikum nicht ausüben, nicht fahren, nicht planen. Und der Gedanke, allein nach Karlsruhe zu fahren, den Rollstuhl zigmal zu zerlegen, ohne Begleitung, überforderte mich nach dem Stress mit dem Auto.
Und da wurde mir wieder bewusst: Mobilität ist für mich nicht Freiheit, sondern Grundlage. Ohne sie funktioniert nichts – weder Arbeit noch Teilhabe.
Die Messe habe ich verpasst. Was ich dort gelernt hätte, erfahre ich jetzt über andere Kanäle. Aber das Gefühl, „nicht dabei gewesen zu sein“, bleibt. Und es schmerzt.
© Silvia Meck, 25. Mai 2025
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